Autor: Karlheinz Weis
Dass Pastor Christoph März ein humorvoller und volksnaher Kirchenmaler war, hat Karlheinz Weis im "Landboten"-Sonderheft Nr. 16 (März 1987) nachgewiesen. Hier stellt er uns den Komponisten vor,
der nicht weniger humorvoll und volksnah Lieder textete und vertonte.
Hört man von dem ehemaligen Eschfelder Pastor Christoph März, so denkt man vornehmlich an die vielen von ihm geschaffenen Gemälde in der Eschfelder Kirche, an seine Arbeiten in Wiebelskirchen
oder Wawern.
Die Urwüchsigkeit der ideenreichen Bilder, erwachsen aus einer nicht schulmäßig gebildeten Kunst, überrascht durch die vieldeutigen Aussagen, die gleichermaßen Wissen und Gemüt des Betrachters
ansprechen. Mit seiner Volkstümlichkeit ermöglicht der Maler den unmittelbaren Zugang zu den dargestellten Inhalten.
Die gleiche Volksnähe und Unmittelbarkeit der Aussage findet sich in den weiteren künstlerischen Betätigungen des Pastors, und zwar im Bereich der Musik und der Dichtung. Auch hier ging keine schulmässige Fachbildung voraus, sondern alle Werke entstanden aus der Begeisterung für die Musik und aus der vielseitigen musikalischen Befähigung dieses Mannes, der Violine, Klavier und Orgel meisterlich spielen konnte.
So hatte er gleich nach seiner Einführung in Eschfeld den Kirchenchor und ein Streich- und Blasorchester gegründet und zunächst auch die Aufgabe des Dirigenten übernommen. Singen und Musizieren
waren für ihn untrennbarer Bestandteil des kirchlichen und privaten Lebens, beides gehörte für die Pfarrbevölkerung, d. h. für Kinder gleichermaßen wie Erwachsene, zu dem vom Pastor auferlegten
Pflichtprogramm, auf dessen Einhaltung er sorgfältig achtete. Darüber hinaus fühlte er sich verpflichtet, "seinen" Chor und "seinen" Musikverein mit von ihm komponierten Kirchengesängen oder
Messen zu versorgen.
Aber nicht nur religiösen, sondern auch weltlichen Liedern war er zugewandt, und wen verwundert es, dass gerade hierin, wie auch in seinen Eschfelder Malereien, der Humor wieder eine dominante
Rolle einnimmt.
Sechs dieser heiteren (Volks-) Lieder sind überliefert. Ihre einfachen Inhalte beschreiben in anschaulicher Weise die der Landbevölkerung bekannten Lebensbereiche oder nachvollziehbaren
Erfahrungen.
Diese Lieder wurden geschrieben und vertont in den Jahren 1922 bis 1926, also mitten in einer Zeit, die andernorts als die goldenen zwanziger Jahre empfunden wurden, wovon die Westeifel jedoch nichts bemerkte. Hier herrschte vielmehr nach mehreren Mißernten eine Zeit wirtschaftlicher Bedrängnis, schließlich wurde der Kreis Prüm im Jahre 1926 zum Notstandsgebiet erklärt.
Einfaches Leben jedoch verhinderte keineswegs das Bedürfnis nach Geselligkeit, auch führte die geographische Abgeschiedenheit der Pfarrorte nicht zur Verschlossenheit der Bevölkerung. Gerne nahm
man die Gelegenheit zum Feiern wahr, sowohl im Anschluß an kirchliche Feste (beim gemütlichen Teil) als auch bei weltlichen Anlässen.
Damals wie heute ist ein Chor, der zur Erheiterung der Gesellschaft beitragen kann, eine willkommene Bereicherung jeder Veranstaltung, gibt er doch dem Festverlauf einen anspruchsvollen Rahmen
und trägt er zur guten Stimmung bei. Auch dann, wenn z. B. in den Tierliedern vom Hahn und den Hühnern - wie in alten Fabeln - gelegentlich Kritik am menschlichen Verhalten deutlich wird, indem
in liebenswürdiger Weise gutes Verhalten gelobt, aber Schwächen auch getadelt werden, ohne dass dabei der "moralische Zeigefinger" deutlich sichtbar wird.
Mit einer komisch-einfachen Beschreibung beginnt das Lied vom Hahn:
Das schönste Tier, das ist der Hahn. Mit seinem Schnabel fängt er an, mit seinem Schwanze hört er auf, hat eine Krone obendrauf, auf seinem Kopf.....
Die folgenden Strophen leben aus der bei Pfarrer März immer wieder zu beobachtenden antithetischen Spannung der Gedanken (deutlich auch im Titel des neuen Liedes vom alten Küchenschrank):
Der stolze Hahn zeigt seine Bedeutung in der Verantwortlichkeit für Zeiteinteilung und Sicherheit seines Hofstaates, dennoch scheint er, darüber täuschen auch Männlichkeitsattribute oder
Imponiergehabe nicht hinweg, wenig tapfer zu sein in der Auseinandersetzung mit seinen Feinden.
Unabhängig von dieser Schwäche wird er trotzdem in einen "hohen" religiösen Rang erhoben und auf die Kirchturmspitze gesetzt, was aber wiederum niemanden daran hindert, ihn ("ist er noch jung")
auch für profane Zwecke zu verwenden.
Im Hühnerlied wird das Bild der sich um einen Regenwurm zankenden Hühner in der letzten Strophe in dem Sinne überhöht, als die Forderung nach Großzügigkeit in den menschlichen Bereich übertragen
wird.
Im Lied des Bettelmanns, in dem nicht die Not des Besitzlosen beklagt, sondern die Freiheit und Ungebundenheit des Aussteigers aus der Gesellschaft verherrlicht wird, unterstützen Schaueffekte
den musikalischen Vortrag des Bettelmanns, wenn dieser während des vom Chor gesungenen Refrains seine freizügige Lebensweise durch lustiges Tanzen demonstriert.
In besonderer Weise aber lebt das Besenlied von der unterstützenden Gestik der Sängerinnen und Sänger, was ja bekanntlich nicht nur beim Publikum gut ankommt, sondern gerade den Chormitgliedern
besonderen Spaß bereitet.
Ausgeprägt ist die Einbeziehung des Publikums in dem letzten Lied. Über elf Strophen hinweg singt es den Refrain mit, was das Lied mit seiner gefälligen Melodie schnell zu einem "Ohrwurm" macht.
Das neue Lied vom alten Küchenschrank vermittelt ein kleines, aber umfassendes Bild aus dem ländlichen Alltagsleben und stellt die Bedeutung dieses alten Möbelstücks, das seinerzeit vor hundert
Jahren einen Kar(o)Iin (= wertvolle Goldmünze) kostete, für das Familienleben dar. An dem Schrank ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen, sein materieller Wert scheint nicht mehr besonders
groß zu sein, dafür um so mehr seine ideelle Bedeutung und seine praktische Verwendbarkeit. In ihm werden nicht nur Geschirr und Essbesteck verwahrt, er dient ebenso der Unterbringung der
verschiedensten Lebensmittel wie auch der (wohl heimlichen) Briefe von Grete. Diese sind offensichtlich unter den sorgfältig ausgelegten Zeitungen verborgen, was der Mutter nur auffällt, als
einmal eine Maus aus der Schublade springt und die Mutter vor Schreck die ganze Lade herausreißt, so dass sich ihr Inhalt auf den Boden ergießt und die Briefe zum Vorschein kommen.
So spielt das Leben...
Einen ähnlichen Schrank wie den beschriebenen hatte Pfarrer März selbst in seiner Küche stehen. Ungebetene Gäste darin wird er (wie wohl auch andere Leute) kaum geduldet haben. Aber die
Schilderung möglicher und tatsächlicher Details, wie sie in diesem und den übrigen Liedern sowie in ungezählten Gemälden deutlich werden, zeigt die Auseinandersetzung und die Identifizierung des
Malers mit den Eigenheiten der Bewohner seiner Eifelpfarrei, denen er sich zugehörig fühlte.