Der Malerpastor Christoph März aus Eschfeld


Autor: Karlheinz Weis


Unter den Originalen der Eifelpastöre hat er seinen sicheren Platz. Doch handelt es sich bei ihm nicht um den Typ des schrulligen Kauzes, den man gerne herablassend belächelt. Die Besonderheit dieses Mannes ist vielmehr in seiner eigenwilligen Persönlichkeit mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten begründet.


 •  Christoph März, 1867 in Schweich/Mosel geboren.
 •  Volksschule, Gymnasium, Studium der Theologie am Trierer Priesterseminar.
 •  1895 Priesterweihe, anschließend vier Jahre Kaplan in Püttlingen/Saar.
 •  Von 1899 bis zu seinem Tod im Jahr 1931 Pastor in Eschfeld.


Nur wenig vermögen solche kurzen und nüchternen Daten des Lebenslaufes über den Menschen selbst auszusagen. Die Ausprägungen eines Charakters, das Wesen eines Menschen erschließen sich uns erst in der Beobachtung seines Verhaltens, also in seinem Leben selbst.


Da kommt ein 32-jähriger junger Pastor in ein entlegenes Eifeldorf, dem er nun als geistliches "Oberhaupt" vorzustehen hat. Und während sich ein Teil der ahnungslosen Pfarrkinder noch fragt, wie man wohl mit ihm zurechtkommen werde, ob er aufgeschlossen, großzügig, gesellig, streng oder fromm sei, hat er schon unbemerkt die ersten Leute mit seiner Aktivität vereinnahmt, und sie erkennen schnell, dass der neue Pastor nicht die Abgeschiedenheit des kleinen Eifeldorfes nutzen will, um ein geruhsam-beschauliches Leben der frommen Meditation in einer überschaubaren Pfarrei zu führen.


Wie ein Naturereignis müssen die Leute in der seit 10 Jahren vakanten Pfarrei den Wirbel empfunden haben, den der junge Pastor auslöst. Dieser sieht nämlich hier auf dem lange brachliegenden Feld die Chance, seine zugleich praktischen und geistigen Fähigkeiten, seine geistlichen Pflichten, aber ebenso weltliche Vorstellungen wie schließlich seine künstlerischen Ambitionen im musikalischen und malerischen Bereich zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Angesichts der schmucklosen neuen Kirche (erbaut 1869) entschließt er sich sogleich, diese auszumalen.

 

Schon in seiner Schul- und Seminarzeit galt seine besondere Liebe der Musik wie auch dem Zeichnen und Malen, auch während der Kaplanstätigkeit förderte er diese Begabungen. Aber in Anbetracht der großen Aufgabe, einen ganzen Kirchenraum auszugestalten, sieht er doch die Notwendigkeit, die Malerei systematisch zu erlernen. So reist er - kaum drei Monate in seinem Pfarrort Eschfeld - bereits im Sommer 1899 über Kevelaer für mehrere Wochen nach Düsseldorf und nimmt dort Privatunterricht im Zeichnen.


Im ersten Jahr seines Wirkens in Eschfeld baut er zudem mit den Männern den schadhaften Weg von der damaligen Schule im Unterdorf bis zur Kirche im Oberdorf aus und kauft, um eine gradlinige Führung der Straße zu ermöglichen, ein kleines Stück Land am Friedhof. Dabei geht es dem Pastor nicht nur um die gute technische Ausführung der Arbeit (dafür sorgen schon Dorfleute), sondern ihm ist auch an der angemessenen künstlerischen Ausgestaltung der neuen Schotterstraße gelegen. So werden an der Schule ein großes A (Alpha) und oben an der Kirche ein W (Omega) eingepflastert; die Strecke dazwischen zieren die Mondphasen, mehrere Tiere und schließlich, zur Erinnerung an den 2. von mehreren Bauabschnitten, die Jahreszahl 1900. Außerdem richtet er im ersten Eschfelder Winter einen gemischten Kirchenchor ein, den zunächst der Lehrer leitet, dessen Führung er aber bald selbst  - mit allen Gesangsproben über fast 15 Jahre -  übernehmen wird.


Im Frühjahr 1900 ist der Pastor mal wieder für vier Wochen verschwunden. Die Pfarrkinder staunen über den frommen Sinn ihres Pfarrers, der so lange Zeit für eine Pilgerreise nach Rom braucht. Noch ahnt niemand, dass es neben der Frömmigkeit ebenso das Interesse an der Malerei und der rastlose Geist des Mannes sind, die ihn jetzt - und immer wieder in den folgenden Jahrzehnten aus der Enge des abgelegenen Dorfes herausholen werden. München, Florenz, Rom sind besondere Stationen dieser zweiten Reise von Eschfeld aus.

Neben dem unauslöschlichen Eindruck, den die "Großen" der italienischen Kunst, insbesondere Fra Angelico oder Michelangelo bei ihm hinterlassen, sind es ebenso die vergleichsweise bescheidenen Kirchen Oberitaliens in Südtirol, die ihn faszinieren. Im Kreuzgang von Brixen, aber auch in der weiten und hohen Pfarrkirche von Terlan mit ihren gotischen Ausmalungen (um nur zwei Beispiele zu nennen) studiert er Raumaufteilung, -ausnutzung, ornamentale Gestaltung von Gewölberippen und Pfeilern, die Kombination alt- und neutestamentarischer Bildinhalte.


Kaum wieder in Eschfeld, nimmt er neben den seelsorgerischen Tätigkeiten die Wegebauarbeiten wieder auf. Die Arbeit mit dem Kirchenchor zeigt unerwartete Früchte, indem erste Interessen an einem Musikverein geäußert werden.


Im Frühherbst ist in Eschfeld erst mal wieder pastorale Vertretung angesagt, denn der Pastor hat sich nach Düsseldorf abgesetzt und nimmt erneut Unterricht im Zeichnen und Malen. Von dort zurück, erprobt er die erworbenen Fähigkeiten, indem er in der Kapelle in Üttfeld seine ersten Wandbilder malt.


Weltoffen, interessiert ebenso für naturwissenschaftlich-technische Entwicklungen wie für den weiten Bereich der Kunst, nimmt er das Ereignis, das im Jahr 1900 außergewöhnliche Beachtung findet, zum Anlass, zweimal eine Reise zur Pariser Weltausstellung zu unternehmen. Kirchen und Museen stehen auf dem Besuchsprogramm, großen Eindruck hinterlässt die Sainte-Chapelle.


1901 schließlich wird ein Musikverein gegründet, zunächst als Violinorchester, kurz darauf erweitert um eine Bläsergruppe. Man denke nicht, ein solches Unternehmen sei so schnell inszeniert, wie man es hier niederschreibt. Erst müssen Instrumente beschafft und auch bezahlt werden. Und wer da neben künstlerischem Anspruch nicht auch kaufmännisches Talent besitzt, braucht erst gar nicht anzufangen. Nun beginnt die zeitaufwendige und mühsame Kleinarbeit des Übens mit den Schuljungen. Sicherlich ist es die Begeisterung des Pastors für die Musik, er selbst spielt ausgezeichnet Klavier, Orgel und Violine, die den Jugendlichen als Motivation für beständiges Lernen dient.

Um aber seine malerisch-künstlerische Entwicklung nicht zu vernachlässigen, unternimmt er noch eine weitere Fortbildungsreise, diesmal nach Bonn, wo er im Atelier eines Kunstprofessors für einige Wochen zeichnet und modelliert. Und schon steht das zweite größere Werk an, erneut sind es Ausmalungen in einem Kirchenraum, jetzt in Binscheid, das er damals mit Üttfeld als Pastor mitzuverwalten hatte.

 

Inzwischen wissen die Eschfelder, wer der neue Pastor ist:

•  Ein Mann von ungeheurer Aktivität - immer für neue Überraschungen gut.
• Ein Mann, der einerseits die Stille und Abgeschiedenheit eines Eifeldorfes braucht, wo er die ganze Palette seiner Begabungen entfalten kann, der andererseits aber auch immer wieder von hier ausbrechen muss in die Städte und Kulturzentren, wo er Anregungen sowohl für seine vielfältigen künstlerischen Ideen als auch für seine geistig-geistlichen Aufgaben findet.
•  Ein Mann, der heute ganz im fürsorglichen Denken für die Pfarrbewohner befangen ist und 100 Obstbäume für sie bestellt, der aber andererseits morgen bereits unvermittelt abreist und sich für einige Wochen lediglich um seine malerische Entwicklung kümmert; der heute freigiebig und gesellig in seinem Pfarrgarten ein Fass Bier für den erfolgreichen Wegebau spendiert, morgen aber bereits wieder große Rätsel aufgibt, wegen einer von ihm unerbittlich geführten Auseinandersetzung.
•  Ein Mann, der am Abend durch das Dorf geht, um das von ihm gewünschte Musizieren und mehrstimmige Singen der Kinder in den Häusern zu hören und selbst bis spät in die Nacht am Klavier sitzt und Werke seiner Lieblingskomponisten Bach und Brahms spielt und sich am nächsten Morgen wieder ganz den nüchternen Aufgaben der Pfarreibetreuung widmet oder sich in seine Waldhütte begibt und dort malt.


Da braucht es seine Zeit, bis man aus diesen widersprüchlichen Wesenseigenschaften ein Charakterbild zeichnen kann: Dieser Pastor ist selbstbewusst, aktiv, energisch, originell; autoritär, stur, eigensinnig, cholerisch; offen, großzügig, nachdenklich, humorvoll; bescheiden und anspruchsvoll - alles zugleich.


Keine Frage, dass er geschätzt, geliebt und verehrt wird, aber nicht von allen gleichermaßen. Denn wie kann es ausbleiben, dass es zwischen einem Mann dieses Temperaments und seiner braven Gemeinde nicht schon mal Reibungspunkte gibt. Gelegentlich fliegen auf beiden Seiten die Fetzen. Aber letztendlich steht die Pfarrei immer zu ihrem "eijesinnijen Här", ja man reicht sogar Petitionen ein, als er einmal versetzt werden soll.

Im Sommer 1906 wird das erste große Werk begonnen, die Ausmalung der Eschfelder Kirche. Fichtenbäume werden gefällt für das Gerüst, über 800 Gerüstbretter werden gekauft. Entwürfe werden mit Geistlichen aus der Nachbarschaft besprochen, verworfen, erneuert. Nochmals erfolgt eine Reise nach Paris in die Sainte-Chapelle. Schließlich steht die Konzeption: Die Verkündigung von Gottes Offenbarung an die Menschen.


Der 1. Pinselstrich am 8. Oktober 1906, dann Beginn der Malereien in den Deckengewölben des hinteren Jochs mit David und der Harfe sowie Cäcilia an der Orgel.
Jahre intensiver Arbeit in der Kirche folgen, unterbrochen von Studienreisen nach Südtirol, München, Prag; Privatunterricht in Düsseldorf; 1909 Nordkapreise bis Hammerfest (Kopenhagen, London), von wo er, wie immer von seinen Reisen, Gemälde, Figuren und Geräte mitbringt.

 

Nochmals Düsseldorfer Kunstakademie.
Jetzt geht der Maler voll in seinem Schaffungsdrang auf. Doch die akademischen Studienansätze befriedigen ihn nicht mehr, die Zwänge der schulmäßigen Entwicklungen bestimmter Maltechniken dauern ihm zu lange, engen ihn ein, schließlich ist er inzwischen über 40 Jahre alt und kann seine Pfarrei nicht nur nebenbei betreuen. Darum entschließt er sich, künftig stärker die Erfahrung zu seiner Lehrmeisterin zu machen, und bildet sich in autodidaktischen Studien selbst weiter, die von der Anatomie bis zu den Malereien der Mönche vom heiligen Berg Athos reichen. Von den vielen Reisen hat er eine Fülle von Eindrücken mitgebracht, die er nun bei der Gestaltung der Kirche verwirklicht.


Aber die Bewunderung für die großen Meister und für seine Düsseldorfer Lehrer geht nicht so weit, dass er sie einfach kopiert. Vielmehr malt er ohne Selbstgefälligkeit und Sentimentalität (in der ganzen Kirche ist keine Peinlichkeit zu finden), ohne Anlehnung an die damals gängigen Kunstrichtungen der Nazarener und des Jugendstils, in einer einfachen, volkstümlichen Art, die seinem urwüchsigen Wesen entspricht und dem seiner Pfarrkinder entgegenkommt. Die Bilder sollen die Heilsgeschichte erzählen, sie sollen belehren, der Kirchenbesuch wird zur Katechese - darin liegt die Intention des Malerpastors. Wer also heute nur einen hohen künstlerischen Rang in den Bildern sucht, erwartet sicherlich zuviel. Wer aber bereit ist, die originellen Bilder in ihrer Gesamtheit auf sich wirken zu lassen, die Konzeption des Malers zu ergründen, der wird seine Freude an der Vielfalt der oft humorvollen Darstellungen haben.

Zwischendurch hat er einen Schüler, Wilhelm Thormann (Bild), einen Jungen aus einem Nachbarort, der ihm in den ersten Jahren bei der Übertragung der Entwürfe und bei den Ornamenten zur Hand geht. Gemeinsam bemalen sie, (als hätten sie in der Kirche nicht genügend Arbeit!) die Außenwände des alten Pfarrhauses. Die Innenräume erhalten umlaufende Friese mit kleinen Engeln, die mit Alltagsarbeiten aus dem Leben des Pastors und der Landleute beschäftigt sind.


Nur während der Sommermonate kann er in der Kirche malen und nur bei gutem Licht. Eine Heizung gibt es nicht und an den elektrischen Strom ist Eschfeld noch nicht angeschlossen.

Heißt es andernorts: "Sonntags nie", so ist der Eschfelder Pastor gerade an Sonn- und Feiertagen aktiv. Dann kann er beruhigt Modelle unter den erwachsenen Leuten suchen, die er werktags nicht gerne von der harten Feldarbeit wegholt.

Grundsätzlich stellen sich die Leute gerne als Modell zur Verfügung, aber manchmal duckt sich auch der eine oder andere Mann am Sonntagnachmittag auf der Kegelbahn, macht sich unauffällig, wenn er den Pastor mit suchendem Blick kommen sieht. Wer zufällig in die Kirche kommt, während der Maler dort tätig ist, muss damit rechnen, auf das Gerüst geholt zu werden, um seinen Kopf für Heliodor oder einen Makkabäer hinzuhalten. Andererseits hat der Pastor keine Hemmungen, sich werktags die Kinder aus der Schule zu holen und sie posieren zu lassen für eine Figur, deren Ausführung keinen Aufschub duldet. Ebenso wenig hat er Probleme, mal einen Hausschuster, der in einem Hause für drei Tage oder eine Woche zur Anfertigung und Ausbesserung von Schuhwerk angestellt ist, für einige Stunden mit in die Kirche zu nehmen. Einer der Maurer vom Schulneubau ist so unvorsichtig, sich einen Vollbart zu leisten - logisch, dass er vom Baugerüst auf das Malergerüst überwechseln muss.

Herbst, Winter und Frühjahr sind jedoch keine Zeiten der Untätigkeit. Allein in einem Winter entstehen weit über 100 Portraits. Wie er sich in der Kirche häufig genug mit seinem Namen unter den Gemälden die Urheberschaft sichert, ist er ebenfalls nicht bange, sich immer wieder an Selbstbildnissen zu erproben.

Daneben malt er im Laufe der Jahre viele Bilder von Bauernküchen, Bauernhäusern, Mühlen oder Hausgeräten - und die verkauft er auch und lässt sie sich gut bezahlen. Irgendwoher muss ja das Geld kommen für Materialien, Reisen und - wie man heute sagen würde - für die "Urlaubsvertretungen".


Der Winter ist ebenso die Jahreszeit der verstärkten Aktivität im musikalischen Bereich. Wie wichtig ihm auch später, nachdem er sich einen Organisten und Dirigenten herangebildet hatte, das musikalische Engagement bleibt, zeigt die Bedeutung, die er dem Kirchenchor zumisst. Einmal ist dieser unerlässlich für die Gestaltung des festlichen Gottesdienstes, zum anderen ist aber ein Chor eine willkommene Bereicherung jeder weltlichen Veranstaltung, da er mit seinen Darbietungen dem Festverlauf einen anspruchsvollen Rahmen gibt.


Trotz ständiger Zeitbedrängnis komponiert er im Laufe der Jahre mehrere vierstimmige Messen und auch "ein halbes Dutzend froher Lieder zu Nutzen und Frommen der Sänger und Zuhörer". Einfach sind die Messen, und volkstümlich sind auch die Lieder. Nur wenige, die damals im Chor mitsangen, leben heute noch. In ihrer Erinnerung könnten sie (so gründlich wurde geübt) noch heute ihre Stimme singen; an die heitere Atmosphäre, welche die humorvollen Lieder bei richtigem Vortrag schaffen konnten, denken sie gerne zurück.


1912 schließlich ist gewissermaßen Halbzeit in der Ausgestaltung der Kirche, fast 600 Personen (Köpfe) und 150 Tiergestalten sind bis jetzt gemalt. Offensichtlich will sich der Maler nach den vielen Jahren intensiver Tätigkeit eine kleine Ruhepause oder Abwechslung gönnen (vielleicht sucht er aber auch eine öffentliche Bestätigung seiner bisherigen Arbeiten in der Kirche). Seit jeher hatte der Pastor ein besonderes Interesse für ländliches Leben und bäuerliche Kultur, um deren Erhaltung er stets bemüht ist.

Neben einer ständigen Sammlung von Gemälden und Skulpturen trägt er nun bäuerliches Gerät zusammen, für das er, in Verbindung mit seinen Kunstgegenständen, in Eschfeld eine Ausstellung organisiert. Die Objekte werden jedoch nicht in einem großen Raum zusammengestellt, sondern alles Gerät wird in den Bauernhäusern an der Stelle deponiert, wo es gemäß seiner Funktion hingehört: Arbeitsgeräte in Schuppen und Scheune, Zinn- und Kupfergeschirr in die Küche, Webereigeräte in die Kammer, Gemälde, Figuren und Spinnrad in die Stube. Ein bewohnter Ort, bewohnte Häuser werden zu Museen, alle Bewohner sind gehalten, die Objekte an ihrem Platz und in Ordnung zu halten. Die Kinder sorgen mit der "Gersten- Scheuerung" für beständigen satten Glanz der Kupfergerätschaften.


Die Gebäude, in denen ausgestellt wird, sind mit Fahnen gekennzeichnet. Über 100 Gemälde bedeutender alter Meister und zeitgenössischer Künstler (teils Leihgaben, teils Besitz des Pastors, in dessen Pfarrhaus manchmal bis zu 800 Bilder hängen oder lagern) werden gezeigt, außerdem mehrere Madonnenfiguren. Natürlich dürfen auch einige exotische Dinge (Kontrastprogramm zur Eifelwelt) nicht fehlen: u. a. ein Eisbärschädel, Schuhe aus Rentierfellen, ein Stuhl aus Walfischknochen (gekauft auf der Nordlandreise in Hammerfest).


Die Ausstellung findet in interessierten Kreisen große Anerkennung, so dass sie im darauffolgenden Jahr wiederholt wird. Sogar eine (leider verlorengegangene) Lichtbildserie von über 100 Photos wird erstellt. Dennoch ist der Pastor etwas enttäuscht, weil er sich mehr Resonanz in der weiten Öffentlichkeit erwartet hatte. Die fehlende Breitenwirkung erklärt sich einmal aus dem damals noch mangelnden Bewusstsein für derartiges Kulturgut, zum anderen aber aus den (im Vergleich zu heute) fehlenden Werbe- und PR-Möglichkeiten.


Trotzdem war es eine großartige Idee. Man stelle sich vor, heute, in einer Zeit der Mobilität mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln, würde eine solche bäuerliche Ausstellung angeboten, wo die Besucher die Möglichkeit hätten, alles life zu erleben, nicht aus der Konserve wie in den bekannten Museumsdörfern, dabei zu sein, wenn gedroschen, gesponnen, gewebt, gebuttert, auf dem offenen Herdfeuer gekocht wird - nicht auszudenken, welche Wirkung die Hundertschaften aus den Reisebussen verursachen würden.


Neun Jahre vergehen noch, bis die Eschfelder Kirche fertiggestellt ist. Jahre, die durch Krieg und Nachkriegszeit geprägt sind, in denen es keine großen Reisen mehr gibt, die vielmehr bestimmt sind durch beständige Arbeit, zu der auch - neue Variante seiner Tätigkeit - die Schnitzereien für die Wandtäfelung in der Kirche gehören. Als letztes und größtes Bild in der Kirche entsteht 1920 die "Eschfelder Sintflut". Am 9. Oktober 1921 feiert die Pfarrgemeinde unter Teilnahme von Landrat Dr. Burggraef aus Prüm und vieler Ehrengäste das Fest des letzten Pinselstrichs.


Nun wäre ja die Zeit gekommen, wo der Pastor sich geruhsam unter die Linde setzen und mit Wohlgefallen auf das vollendete künstlerische Werk und die verschiedenen Musikgruppen in seiner funktionierenden Pfarrei blicken könnte, wo er nun endlich Muße fände, sich seinen anderen Liebhabereien mal ausgiebig zu widmen, der Naturbeobachtung, der Naturheilkunde (er war überzeugter Kneippanhänger) oder beispielsweise der Astronomie, die er mit Hilfe seines Teleskops, an dem er auch gerne den Kindern die Sternenkunde näherbrachte, mit wissenschaftlicher Genauigkeit betrieb.
Weit gefehlt, eine Begebenheit aus der damaligen Zeit verdeutlicht die ihm eigene, weiter anhaltende Betriebsamkeit.
Es war bekannt, dass der Eschfelder Pastor zwar eindringliche, aber kurze und eigenwillige Beichtgespräche hielt. Das hatte zur Folge, dass die Leute aus einem weiten Umkreis nach hier kamen, um sich ihrer Sünden zu entledigen. Davon jedoch war der Pastor nicht immer besonders erbaut. An einem Abend vor einem Festtag ist Beichte angesetzt, aber den Pastor drängt es bei dem guten Wetter, an sein Fernrohr zu kommen, um eine seltene Konstellation der Gestirne nicht zu versäumen. Immer kürzer werden die Beichtgespräche, immer häufiger kommt der Kopf des Pastors hinter dem Vorhang des Beichtstuhls hervor, um mit Erschrecken wahrzunehmen, dass die wartende Schlange nicht kleiner wird. Da hilft nur eines, sich kurz zu fassen.
Ein junger Mann betritt als nächster den Beichtstuhl und gedenkt, wie seit jeher üblich, mit den weniger schweren, also lässlichen Sünden sein Schuldbekenntnis zu beginnen. Kaum angefangen, wird er vom Pastor, der offensichtlich das zu erwartende Sündenkonto schon abschätzen kann, unterbrochen mit den Worten: "Wir bereuen und schließen alles mit ein. Bet'st zur Buß' ein Vaterunser . . ." Darauf der Beichtling: "Herr Pastor, da wäre noch . .”. Nun der Pastor, schon ungehalten und mit halblauter Stimme: "Ich sagte doch, wir schließen alles mit ein, bet'st zur Buß' zwei Vaterunser . . “. Als der Beichtling sich noch einmal schüchtern bemerkbar machen will, ist die Geduld des Beichtvaters am Ende, und er verkündet mit normaler Stimme: "Bet'st zur Buß' fünf Vaterunser. Ego te absolvo . .” und entlässt den verlegenen jungen Mann aus dem Beichtstuhl. Es ist anzunehmen, dass die Sterne an diesem Abend gebührend betrachtet werden konnten.


Seine Wanderungen  - nicht gemütliche Spaziergänge -  in die Natur sind für den Maler wie ein Studium der Farbenlehre. Gerne nimmt er die leuchtenden Farben der Herbstwälder als Anregung für eigene Farbgebungen; er schätzt aber ebenso den Reiz der unbelebten Natur, wie wir es aus den vielen Winterlandschaften entnehmen. Zu seinen Eigenheiten gehört, dass er im Gelände an verschiedenen Stellen witte- rungssichere, aber unverschlossene Blechdosen mit Malutensilien (verschiedene Pinsel, Farben, Terpentin ... ) deponiert hat. Die Viehhirten-Kinder kennen natürlich die Stellen und revidieren gerne heimlich den Inhalt dieser Behälter. Aber sie respektieren die Gepflogenheiten ihres (autoritären) Pastors, und es kam nicht vor, dass sie etwas versteckt oder gar vernichtet hätten.
Der Pastor, der auf seinen Gängen immer kleine vorbereitete Holztäfelchen in der Rocktasche mit sich trägt, hat somit stets alle Gerätschaften zur Hand, wenn ihm ein besonderes Motiv, ein Haus oder ein Baum im Gelände in einer besonderen Licht- oder Farbsituation auffällt. Dann entsteht vor Ort  - auf die Schnelle selbstverständlich -  ein kleines Ölbildchen.

Als das alte Pfarrhaus im Jahre 1928 abgerissen wird, bestellt der Pastor die Schulkinder, damit sie ihm beim Ausräumen behilflich wären. Dabei werden größere und vor allem ungezählte kleine Gemälde in Span- oder Weidenkörbe gefüllt, die die Kinder dann in bestimmte Häuser bringen, wo sie auf den Speichern abgestellt werden. Zum Abschluss der Aktion ruft der Pastor alle Kinder zusammen, stellt sie im Kreis um einen der Körbe auf, und jedes Kind erhält zum Dank für seine Hilfe eins oder zwei der kleinen Bilder.


Inzwischen ist sein Ruf als "Kirchenmaler" begründet, und neuen Aufgaben sieht er voller Erwartung entgegen. Die folgende Übersicht zeigt, besser als viele Worte es auszudrücken vermögen, den nach wie vor ungebrochenen Schaffensdrang des Pastors:

 

 •  1919 Ausmalung der alten Pfarrkirche und des Turmzimmers in Limbach, Kreis Saarlouis


 • 1921/22: Ausmalung zweier Zimmer im Pfarrhaus Steffeln (heute Verwaltung der Akademie für bildende Kunst, Vulkaneifel).


 • 1922: Ausmalung der Kreuzkapelle Neuerburg (1959 Einsturz des Gewölbes; alle Gemälde zerstört).


 • 1922/23: Ausmalung der Pfarrkirche in Ütscheid (Kirche wurde 1956 abgerissen).


 • 1923: Ausmalung der Pfarrkirche in Wißmannsdorf. Nach völliger Überstreichung wurde das Hauptgemälde an der Decke 1985 wieder freigelegt und restauriert.


 • 1923/29: Ausmalung der Pfarrkirche in Wiebelskirchen.


 • 1928: Neubau des Eschfelder Pfarrhauses.


 • 1930/31: Ausmalung der Kapelle in Wawern.


 • 1930/31: Ausmalung des neuen Pfarrhauses Eschfeld (Friese in den Zimmern; Gestaltung der Außenfassade).


Spätestens hier drängt sich die Frage auf, wann denn oder ob denn dem Pastor bei all seinen Aktivitäten überhaupt noch Raum bleibt für seine eigentliche Aufgabe, für seinen Beruf, nämlich die geistliche Betreuung seiner Pfarrkinder. In diese Richtung gingen vielleicht auch die vielfältigen Bedenken der vorgesetzten Bischöflichen Behörde in Trier, die dem seltsamen Treiben des Eschfelder Pastors nicht immer mit größtem Wohlwollen zusieht. Man fördert seine malerischen Aktivitäten keineswegs, man duldet sie; was will man auch tun, gegen Naturgewalten sind selbst Behörden machtlos. Schließlich setzt sich in Trier doch bald die Erkenntnis durch, dass die seelsorgerischen Pflichten in Eschfeld keineswegs vernachlässigt werden.


Während seiner häufigen Abwesenheit (u. a. bei einer Reise nach Jerusalem) sorgt der Pastor immer für Vertretung, nie ist die Pfarrei verwaist. Mal ist es ein rüstiger Pater im Ruhestand, dessen Aufwendungen er selbstverständlich aus eigenen Mitteln finanziert, mal hilft der Nachbarpastor aus. Oder es kommt der Pastor aus derjenigen Pfarrei, wo er gerade mit der Ausmalung der Kirche beschäftigt ist, für ein paar Wochen oder Monate nach Eschfeld, während Pfarrer März  in dieser Zeit (z.  B. in Ütscheid) den geistlichen Dienst mit all seinen Verpflichtungen versieht.


Seine Eschfelder Pfarrkinder haben, obwohl er ihnen in all den Jahrzehnten so manches zumutet, immer Vertrauen zu ihm. Der Pastor ist eine Autorität, nicht nur kraft seines Amtes (das auch), sondern mehr aus seiner starken Persönlichkeit heraus. Seine Anwesenheit in Gefahrensituationen beruhigt die Menschen. Ob das nun bei einer Feuersbrunst ist, wo er unter Missachtung eigener Gefährdung zwischen herabstürzenden brennenden Balken oder Mauern, die einzubrechen drohen, die Brandstelle umschreitet und damit den Löschhelfern Mut und neue Kräfte gibt (oder weil man vielleicht in seinem Handeln ein Beschwörungsritual sehen will und daraus neue Sicherheit gewinnt), oder ob jemand auf seinem Heimweg von einer dubiosen Erscheinung erschreckt wird - immer ist der Pastor hilfreich zur Stelle. Ebenso wenn in einem Nachbarort, sein Ruf reicht längst bis in die weitere Umgebung, ein kettenrasselnder nächtlicher Spuk die Bewohner eines Hauses schließlich zum Auszug veranlasst und sie in ihrem neuen Heim von denselben Schrecknissen geängstigt werden, so dass der Ortspfarrer keinen anderen Rat mehr weiß, als den Eschfelder Pastor kommen zu lassen, so ergründet Pastor März auch hier auf seine unerschrockene Weise die Ursachen des Geschehens. Und das schreckliche Strafgericht, dass er den "hexenden" Verursachern vor Augen stellt, bewirkt, dass fortan alle in Ruhe leben können.
Auch als jemand, der ihn berauben will, von ihm so gescheucht wird, dass er die ganze Nacht hilflos und verstört um sein eigenes Haus irrt, ohne hineinzukönnen, bis er schließlich in totaler Erschöpfung zusammenbricht und erst am Morgen gefunden wird - so haben dieser und ähnliche Vorgänge schon ihre Wirkung auf die Bevölkerung. Jedoch ist es nicht so, dass er seine Autorität aus diesen vermeintlich spiritistischen Fähigkeiten bezogen hätte. Viele Leute denken zwar, dass er möglicherweise übernatürliche Kräfte besäße, aber auf die direkte Frage, ob er Geister beschwören könne, antwortet er unwirsch (aber auch klug zugleich): "Ich habe noch nie einen Geist gesehen!“


Tatsache jedoch ist, dass der Pastor stets bestrebt ist, sein theologisches und praktisches Wissen zu erweitern. Selten, dass er durch das Dorf geht, ohne dabei in einem Buch zu lesen oder das Brevier zu beten. Auch hier muss er seine kostbare Zeit nutzen. Schließlich sind seine Spontanität, Vitalität, Genialität keine Eigenschaften, die sich auf das sogenannte Privatleben beschränken lassen, nein, ebenso im beruflichen Bereich gilt es für ihn, zügig und ökonomisch zu arbeiten.


So kann es durchaus vorkommen, dass der vielbeschäftigte Maler oder Bauherr sich eilen muss, halbwegs rechtzeitig zur Katechismusstunde in die Schule oder zur Christenlehre in die Kirche zu kommen. Und wehe, wenn nicht alle am geheiligten Ort in der Kirche still in den Bänken sitzen und geduldig auf sein Erscheinen warten.


Seine Sonntagspredigten fallen gelegentlich kurz aus. Aber das entbindet die Gottesdienstbesucher keineswegs von der sorgfältigen Beachtung der Predigt. Der Pastor hat offensichtlich im Studium die psychologischen Lektionen gelernt und begriffen, dass, will man die Erwachsenen erreichen, man ihren Kindern die entsprechenden Fragen und Aufgaben stellen muss. So haben die Kinder immer den Auftrag, den Kerngedanken der Sonntagspredigt zu Hause schriftlich zu formulieren und zur nächsten Religionsstunde mitzubringen. Da werden "Mam un Pap, Pätter un Godd" sich während der Predigt schon konzentriert haben, um bei den Kindern zu bestehen, wenn diese sich hilfesuchend an die Erwachsenen im Hause wenden.


Auf die sorgfältige katechetische Unterweisung der Kinder und Jugendlichen ist er stets bedacht. In biblischer Geschichte, eigens dafür hat er ja sein großes bebildertes Lehrbuch in der Kirche geschaffen, kennen sich die Kinder bestens aus.


Fromm ist der Pastor, aber übertriebene Frömmigkeit schätzt er wenig. Auf das Rosenkranzgebet legt er größten Wert. Ebenso liegen ihm, da kommt ihm seine Veranlagung entgegen, die Pflege des Kirchengesangs und der Kirchenmusik besonders am Herzen, sind doch beide in ihrer Art eine Form des Gottesdienstes und des Gebetes.


Den Menschen in Not, Einsamkeit und Krankheit ist er ein zuverlässiger Helfer und priesterlicher Betreuer in schweren Stunden. Und so löst es tiefste Betroffenheit aus, als er im Alter von 64 Jahren plötzlich aus dem Leben gerissen wird. Gerade ist er bei der Bemalung der Vorderfront seines neuen Pfarrhauses, in dem er endlich einen großen, lichtvollen Raum im Dachgeschoss zur Verfügung hat und wo die Fülle seiner Ideen an der Staffelei u. a. in einem Bilderzyklus zur Ausführung kommen soll, da stürzt er, der sich eigentlich sein Leben lang auf weitaus gefährlicheren Stiegen in den hohen Kirchenräumen bewegen musste, von dem Gerüst und stirbt einige Tage darauf im Prümer Krankenhaus an den Folgen der inneren Verletzungen.

Sein Gottvertrauen und seine urwüchsige Gläubigkeit, wie sie aus so vielen seiner Bilder sprechen, aber auch sein unermüdlich rastloses Wesen fasst er gleichsam nochmals als Hoffnung in seinen letzten Worten zusammen, wenn er, den sicheren Tod vor Augen, darum bittet, ihm einen Pinsel in den Sarg zu legen, damit er bei der Auferstehung am Jüngsten Tag sein Werkzeug zur Hand habe und sofort wieder mit der Arbeit beginnen könne. Außerdem werde er den Heiligen Lukas, ehemals auch Maler bitten, sein Werk in Eschfeld zu vollenden.

 

Zu seinen Lebzeiten kam so leicht keiner unbemerkt an ihm vorbei.

Auch nach seinem Tod - die letzte Ruhestätte fand er rechts neben dem Eingang auf dem Eschfelder Friedhof - muss jeder, der zur Kirche oder zum Friedhof will, erst an seinem Grab vorbeigehen - und erweist ihm damit, bewusst oder unbewusst -  das ihm sicher zustehende, ehrende Andenken.